Wie in der Baukunst im 19. Jahrhundert allgemein, so war man auch in der Bahnhofsarchitektur lange Zeit auf der Suche nach einer funktionellen und gestalterisch befriedigenden Form.  Gerade beim Bau von Empfangsgebäuden mußten dabei Probleme auftreten, da es hierfür keinerlei Vorbilder gab. Zudem war der Bahnhofsbau naturgemäß besonders betroffen von dem seit der beginnenden Eisenarchitektur bestehenden Konflikt zwischen Ingenieuren und Architekten, der sich vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte in der Architektur ausdrückte. Man stellte sich die Frage, welches Teil beim Außenbau dominieren sollte: die von Ingenieuren konstruierten Bahnsteighallen oder die von Architekten entworfenen Empfangsgebäude.  Dies führte zu den unterschiedlichsten Lösungen: von der ganz von der Perronhalle bestimmten Fassade bis zum - seltenen - Empfangsgebäude, das die Halle vollständig negiert mit allen dazwischen liegenden Spielarten. Im Laufe des Jahrhunderts verdrängten die riesigen Eisenkonstruktionen der Bahnsteighallen die Architektur und traten gegenüber den Empfangsgebäuden in den Vordergrund. Dabei brachte Sir Paxtons Kristallpalast 1851 die Wende von Holz- oder Holz-Eisen-Konstruktionen zu reinen Eisenkonstruktionen.  Gegen Ende des Jahrhunderts wetteiferte man gar um die Errichtung der größten Gleishalle - ähnlich dem Kampf um die größte Domkuppel in der italienischen Renaissance oder dem Wettstreit um den höchsten Wolkenkratzer. Anschließend kam jedoch das Ende der gigantischen Bahnsteighallen; die Architektur begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder eine bedeutendere Rolle zu spielen und die eigentlichen Bahnsteighallen verkümmerten zu Bahnsteigdächern. Die von den ehemaligen Hallen abgeleitete Bogenform sollte jedoch zum eigentlichen "Bild des Bahnhofs" werden. Seit den achtziger Jahren hatte sich eine "eigenständige Bahnhofsikonographie" und ein eigenständiger "Bahnhofstyp" herausgebildet: zur Bahnhofsuhr als eindeutigem Erkennungsmerkmal traten nun die als offene Vorhallen, Mittelrisalite oder Triumphbogen gestalteten Zugänge mit zahlreichen Öffnungen und an den Ecken liegenden Pavillons oder Türmen; mit wachsender Bedeutung der Bahnsteig- oder Perronhallen wurde auch ihre Bogenform in die Bahnhofsfassade mit einbezogen. Nachdem man zunächst ausschließlich symmetrische Bahnhofsanlagen errichtet hatte, um den ungeübten Reisenden die Benutzung zu erleichtern, ging man später immer mehr zu asymmetrischen Anlagen über. Anfang des 20. Jahrhunderts gruppierte man sogar die einzelnen Bauteile unregelmäßig nebeneinander.  Obwohl in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf die Außenarchitektur gelegt wurde, spielte die Stilwahl in der Bahnhofsarchitektur eine eher geringe Rolle, wenngleich auch hier alle historistischen Strömungen des 19. Jahrhunderts aufgegriffen wurden.  Das lag zum einen daran, dass man mit dem Bahnhof als neuer Bauaufgabe keinen der historischen Stile verbinden konnte, wie das ansonsten im Historismus oft der Fall war. Zudem wurden Bahnhofsbauten selten zu politischen Zwecken missbraucht - waren doch gerade die politischen Umstände die Auslöser der historistischen, "nationalen" Strömungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Hauptgrund lag jedoch darin, dass der Beitrag, den die Architekten zu den Bahnhofsanlagen leisten konnten, verhältnismäßig gering war. Der Bahnhof war und ist in erster Linie ein Funktionsbau , der schon bei kleinen Haltepunkten aus einer Vielzahl von Einzelteilen besteht, die ein komplexes Ganzes bilden. Dabei mußte der Betreiber vor allem auf einen reibungslosen Ablauf und auf Wirtschaftlichkeit achten; der Stil, der gerade hier nur Dekor bedeutete, wurde dabei schnell vernachlässigt.  Die geringe Bedeutung des Stils trifft noch mehr für die kleineren Bahnhöfe zu, denen hier unser Hauptinteresse gelten soll. Gerade diese wurden von bahneigenen Baubüros entworfen und erbaut , die natürlich besonders Funktionalität und Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund stellten, zumal hier die Repräsentation keine Rolle spielte. Oft gab es eine regelrechte "Serienproduktion", wobei die Empfangsgebäude ganzer Linien nach einem Muster errichtet wurden. Man übernahm zwar Stil und Formen von "Hauptstationen", reduzierte sie jedoch auf ein Mindestmaß. dass man hierbei häufig auf Empfangsgebäude zurückgriff, die durch eine "traditionelle" Formgebung ihre "modernen" Hallenkonstruktionen zu verdecken suchten, erscheint logisch, da die kleineren Bahnhöfe selbst keine Bahnsteighallen besaßen. Man wählte also oft Schlösser oder Palazzi als Vorbilder , die  man stark vereinfachte und mit den bahnhofstypischen Merkmalen versah.

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