Völklingen

Die Eröffnung des ersten Völklinger Bahnhofs an der Strecke Saarbrücken - Trier fand am 16. 12. 1858 gleichzeitig mit der des Empfangsgebäudes in Beckingen statt. Obwohl dieses alte Empfangsgebäude, das sich in der Höhe des Güterbahnhofs befand , nicht mehr erhalten ist, soll es hier kurz erwähnt werden, da es demselben Schema entspricht, das bereits mehrfach aufgetaucht ist: ein Rechteckbau mit Mittelrisalit, einfachen Rundbogenfenstern im Erdgeschoss und Rechteckfenstern mit Sohlbankgesims im ersten Obergeschoß. Wahrscheinlich weil dieses kleine Gebäude den Anforderungen der wachsenden Hüttenstadt nicht mehr genügte, vielleicht auch wegen des Standorts, wurde der neue Bahnhof 1893/94 im Herzen der Eisenhütte errichtet. Nachdem dieses Gebäude bis 1992 in Betrieb war, wurde am 11. 12. 1992 der neue Bahnhof, der sich direkt im Westen anschließt, eröffnet.

Die weitere Funktion des alten Gebäudes ist bislang noch nicht geklärt. Völklingen ist einer der wenigen Fälle, in denen noch Originalzeichnungen existieren, so dass der ehemalige Zustand und die Baugeschichte rekonstruiert werden können.  Der Grundriss zeigt uns einen schloßähnlichen, einflügeligen Bau mit Mittel- und Eckrisaliten. Der fast 700m² große Bau weist im Inneren eine schon bekannte Aufteilung auf. Von der zentralen, über alle Geschosse gehenden Halle aus gelangt man in die rechts gelegenen Wartesäle der 1./2. und 3./4. Klasse oder in die auf der linken Seite liegenden Räume der Gepäckaufgabe, des Fahrkartenverkaufs und in die Dienstzimmer. Im Südosten befindet sich ein 20m² großer Anbau, der nur von außen zu betreten ist und in dem sich die Post befindet. Von der Eingangshalle aus führen die zwei äußeren Treppen mit je zwölf Stufen auf den höher gelegenen Hausbahnsteig, die mittlere mündet in den Tunnel, der zu den seltener benutzten Bahnsteigen führt.  In den zwanziger Jahren baute man eine eingeschossige, flach gedeckte Vorhalle zwischen die beiden Seitenrisalite. In der Folgezeit wurden verschiedene Erweiterungen und Veränderungen durchgeführt. So wurden die beiden Wartesäle zugunsten einer Gaststätte und zusätzlichen Diensträumen aufgegeben und Toiletten eingebaut. Im Osten fügte man eine Ladenzeile mit anschließender "Ausgangshalle" an, die eine zusätzliche Personenunterführung erhielt.

Glücklicherweise gibt es eine Entwurfszeichnung der Straßenfassade aus dem Jahr 1893, nach der der Bau ausgeführt wurde. Sie sagt auch etwas über die Organisation aus: entworfen von den Architekten Menzel und Bloch in Völklingen, ging die Zeichnung zunächst zum Königlichen Eisenbahn-Betriebsamt in Saarbrücken. Die Genehmigung zum Bau erteilte schließlich die Königliche Eisenbahn-Direktion in Köln. Hier ist noch die Herkunft der Architekturform aus der Schlossarchitektur zu erkennen, was bei dem heutigen Gebäude aufgrund der Umbauten, des Baumaterials und vor dem Hintergrund der Hochöfen kaum noch nachzuvollziehen ist.  Für die Außenflächen des Gebäudes wurde dunkelroter Backstein verwendet , Sockel und Gesimse wurden in Buntsandstein ausgeführt.  Der Bau ist zweigeschossig und besitzt ein steiles, traufständiges, abgewalmtes Satteldach mit zwei kleinen Dachhäuschen. Das Dach ist schiefergedeckt und trägt mehrere Schornsteine mit Zinnen. Von den dreizehn Achsen besitzen die Seitenrisalite je zwei, der breitere und Mittelrisalit drei und die Rücklagen ebenfalls je drei Achsen. Die Fenster sind segmentbogig. In den Rücklagen befinden sich im Erdgeschoss je drei hohe Fenster mit Fensterbänken. Im ersten Obergeschoss sind von den je sechs Fensterchen je zwei durch eine gemeinsame Fensterbank zusammengefasst.  Die drei Risalite mit Frontgiebeln sind alle unterschiedlich gestaltet: im Osten (links) wurde das Erdgeschoss als Sockelgeschoss behandelt, da es sich aufgrund der leichten Hanglage des Gebäudes direkt über dem Boden erhebt und sehr niedrig ist. Es ist rustiziert und die Segmentbogen der Fenster besitzen betonte Keilsteine. Direkt darüber verläuft ein Gurtgesims. Über den großen Fenstern des Obergeschosses sitzt noch ein zweiteiliges Rechteckfensterchen mit Segmentüberfangbogen wie bei den übrigen Risaliten auch.  Die mittlere Achse des Mittelrisalits ist verbreitert. Zu den drei Eingängen führen mehrere Stufen. Die Rechteckrahmen schließen mit dem Gurtgesims ab, auf dem schon die geschmückten Felder unter den Fenstern aufsitzen. Das mittlere Fenster ist höher und trägt an Stelle der oberen Scheiben die Bahnhofsuhr.  Der Westrisalit (rechts) besitzt einen Sockel und im Erdgeschoss Rechteckfenster auf Fensterbänken. Wieder bildet ein Gurtgesims den oberen Abschluss. Wie auch am Ostrisalit sind die Brüstungen der Obergeschossfenster tiefergelegt.  An den Dachüberständen der Ortgänge und Traufen ist reiches Holzwerk zu sehen. Auf einer Ansicht der Straßenseite aus dem Jahr 1923 ist bereits ein Teil der eingeschossigen Vorhalle zu sehen, die sich vor dem Mittelrisalit und der östlichen Rücklage erstreckt. Da die Vorhalle über der Höhe des vorherigen Gurtgesimses angesetzt worden ist, wurden die ornamentierten Felder unter den Risalitfenstern des Obergeschosses zerstört. Die alten Türen hat man offensichtlich an den neuen Eingängen wiederverwendet. Die zu hohen Rücklagenfenster wurden geschlossen, aber ihre Form wurde - nur niedriger und rechteckig - an der Vorhalle wieder aufgegriffen. Die Achsenzahl wurde auf vier erhöht. Eine Fotografie zeigt den derzeitigen Zustand: die elfachsige Vorhalle nimmt nun die ganze Breite zwischen den Eckrisaliten ein, die Dächer wurden bis an die Ecken weitergeführt. Die drei Eingänge wurden um zwei Achsen verschoben. Die Fenster des Erdgeschosses sind rechteckig und liegen in Fenstereinfassungen, die bis zum Sockel reichen. Die Fensterbrüstungen sind mit Ziegelstreifen geschmückt. Die Eingänge besitzen Flügeltüren, die Fenster des Obergeschosses Sohlbänke. Anstelle des östlichen Dachhäuschens trat eine breite Schleppgaube.  Das ehemals reich gestaltete Holzwerk ist verschwunden, ebenso wie die Bahnhofsuhr.  Die Gleisseite, von der keine alten Ansichten existieren, ist im wesentlichen ähnlich gestaltet. Wegen der höher gelegenen Schienen ist sie niedriger und deshalb großenteils eingeschossig, mit hohen Fensterflächen. Im Innern ist noch die ursprüngliche, holzvertäfelte Decke der zentralen Halle erhalten, ebenso wie vier Mosaiken auf Fassböden, die "zwei "Heinzelmännchenmotive" aus der Arbeitswelt des Eisenhandwerks zeigen, sowie zwei allegorische Motive des Weines". In der Halle befinden sich weitere, ca. ein Meter große Mosaiken. Der Typ des Völklinger Empfangsgebäudes - ein Rechteckbau mit drei Risaliten - ist im saarländischen Bahnhofsbau einmalig. Typisch für den Historismus vereinigt es zwei - historisch gesehen - eigentlich unvereinbare Gattungen: das barocke Schloss und den Backsteinbau. Dabei fehlen ihm jegliche antike oder barocke Binnenelemente: die segmentbogigen Fenster besitzen weder Verdachungen noch aufwendige Rahmen und scheinen noch aus dem Rundbogenstil zu stammen; die wenigen Gesimse sind schlichte Vorsprünge. Jedoch finden sich schwache Anklänge an mittelalterliche Architektur: das Holzwerk an Traufen und Giebeln erinnert an spätgotisches Gesprenge und die turmförmigen Kamine mit ihren Zinnen lassen an das  Empfangsgebäude in Beckingen denken.  Dennoch scheint die Mischung hier geglückt, da das Gebäude sehr schlicht gehalten ist und keiner der Stile überwiegt. Die Wahl des Baumaterials, bei der sicher auch finanzielle Gründen entscheidend waren, trägt den größten Teil zu dieser Schlichtheit bei. Der Bahnhofsbau fügt sich so nahtlos in die Umgebung der Hüttenstadt ein.

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