Gersheim

Das imponierende Empfangsgebäude in Gersheim liegt an der inzwischen stillgelegten Bliestalbahn, die 1875 bis 1879 von Zweibrücken nach Saargemünd gebaut wurde. Das Bahnhofsgebäude wurde 1885 eröffnet. Die nicht datierten Grund- und Aufrisse zeigen uns einen dreigeschossigen Rechteckbau mit sechs Achsen, wobei die nördliche Achse auf beiden Seiten risalitartig vorspringt, während die südlichen zwei Achsen nur zur Straße hin um eine Achse erweitert sind, die das Treppenhaus enthält. 

Die gangartige Vorhalle betrat der Reisende durch die mittlere Achse der Rücklage. Rechts befand sich der Eingang zur Gepäckaufgabe, die den gesamten Eckrisaltihen einnahm. In den Warteraum gelangte man von dem Gang aus, der auch auf den Hausbahnsteig führte. In dem südlichen Teil befanden sich die Diensträume und der Fahrkartenschalter. Der nur wenig veränderte Außenbau ist sehr hoch und wirkt dadurch wuchtig und blockhaft. Das flache Walmdach spricht kaum mit. Die Geschoss- und Fensterhöhe nimmt nach oben hin ab. Im Erdgeschoss befinden sich Rechtecköffnungen mit halbrunden Oberlichtern bzw. Rundbogenfenster an den Schmalseiten. An der Gleisseite wurden sämtliche Öffnungen zugemauert, auch die drei verschieden großen Oberlichter über dem Stellwerk. Über dem sehr hohen Erdgeschoss - mit Sockel und Sockelgesims - sitzen die Fenster des ersten Obergeschosses auf einem Sohlbankgesims in Form eines reduzierten Gebälks auf. Die Fenster sind segmentbogig und besitzen Rahmen in Form von flachen Karniesbogen.  Das zweite Obergeschoss wiederholt das erste verkleinert; jedoch ist hier das Sohlbankgesims etwas verändert. Die Fensterrahmen besitzen teilweise am inneren Rand einen Halbrundstab.  Die beiden südlichen, vorspringenden Achsen der Straßenfassade sind durch ein Zwillingsfenster in jedem Geschoss zusammengefasst. Unter dem Dach verläuft ein Dachgesims.

Die unregelmäßige Fenstergliederung setzt sich auch bei der übrigen Vertikalgliederung fort: bis aufs äußerste reduzierte Pilaster setzen an den Ecken Akzente und teilen die Rücklage der Gleisseite und die südliche Schmalseite - scheinbar willkürlich - in ungleiche Hälften. Dabei ist das Sohlbankgesims des zweiten Obergeschosses im Bereich der Pilaster unterbrochen, der obere Teil des Gesimses des ersten Obergeschosses läuft ungehindert weiter und der Sockel verkröpft sich um die Pilaster herum.  Erwähnenswert ist noch das rundbogige Portal der Straßenfassade mit seitlichen Pilastern mit einfachen Kapitellen und Postamenten. Über den angrenzenden zwei Fenstern wurden die Rundbogen weitergeführt, so dass eine Blendarkade aus drei Bogen entsteht. Wie auch an den Fensterrahmen der Schmalseiten sind die Rundbogen im oberen Teil stark verbreitert.

Das Empfangsgebäude in Gersheim fällt durch seine ungewöhnlichen Proportionen auf - es ist das einzige hier behandelte Gebäude, das drei Vollgeschosse besitzt.  Die schlichte Gestaltung erinnert dabei noch sehr an den Rundbogenstil. Eigentliche Vorbilder waren aber oberitalienische Renaissancepaläste. Diese wuchtigen "palazzi" sind im Äußern ähnlich geschlossen und blockhaft und besitzen kaum Gliederungselemente. Typisch ist die auch in Gersheim beobachtete abnehmende Geschosshöhe. Dass man im bayerischen Gersheim die oberitalienische Renaissance als Stil gewählt hat, braucht nicht weiter zu verwundern. Gerade in Bayern war bereits der Rundbogenstil von Gärtners und Bürkleins von der florentinischen Frührenaissance beeinflusst. Ab den sechziger Jahren erlebte die Renaissance dann allgemein eine Wiedergeburt.  So lassen sich in Bayern auch Vergleichsbeispiele für das Empfangsgebäude in Gersheim finden: Z. B. das kurz nach 1848 erbaute Verwaltungsgebäude des Bahnhofs in Hof von G. von Neureuther. Trotz des Zeitunterschieds von über dreißig Jahren ähneln sich die beiden Gebäude verbüffend. Dreigeschossigkeit, abnehmende Stockwerkshöhe, flaches Walmdach, Rundbogenfenster, Sohlbankgesimse und Vertikalgliederung könnten in Gersheim direkt von Hof übernommen worden sein.

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