Formen
Im Rundbogenstil wurden vor allem quaderförmige Rechteckbauten und Rechteckbauten mit Mittelrisalit auf einer oder beiden Längsseiten verwendet. Seltener sind asymmetrische Gebäude mit einem Eckrisalit. Außerhalb des Rundbogenstils ist eine vielfältigere Gestaltungsweise zu beobachten, obwohl auch die in der Frühzeit des Bahnbaus entwickelten Typen weiter verwendet wurden. Diese größere Vielfalt hängt natürlich mit dem herrschenden Stilpluralismus zusammen; so bedingt der "Castle-Stil" in Beckingen eine asymmetrische Anlage mit Turm, die "oberitalienische" Neurenaissance in Gersheim legt die Verwendung eines dreigeschossigen, quaderförmigen Bautyps nahe usw. Prinzipiell ist eine Tendenz zur Asymmetrie zu bemerken; gegen Ende des Jahrhunderts wurden in Luisenthal und Dillingen sogar aus mehreren Gebäudeteilen zusammengesetzte Anlagen errichtet. Dies hing wohl auch mit der Tatsache zusammen, dass bei großen Bahnhöfen durch den wachsenden Verkehr der Raumbedarf ständig anstieg. Der symmetrische "Palast" des Rundbogenstils zum Beispiel hätte in seiner Größe enorm gesteigert werden müssen um alle Funktionen unter einem Dach zu beherbergen. Wurde dennoch einer geschlossenen, symmetrischen Lösung der Vorzug gegeben, entstanden riesige Gebäude, wie z. B. in Völklingen. Allgemein für den Bahnhofsbau typisch ist die tatsächliche oder vorgetäuschte \u00d6ffnung der Straßenfassaden durch Arkaden bzw. Blendarkaden. Bei den hier besprochenen Empfangsgebäuden sind Arkaden allerdings relativ selten - meines Erachtens würde dieses "schiefe" Bild aber durch die Bearbeitung aller saarländischen Empfangsgebäude korrigiert. Trotzdem läßt sich die Bedeutung der Arkadenreihe als "Bahnhofs-Charakteristikum" vielleicht auch an einigen Besonderheiten ermessen: so besitzen die Erdgeschoßfenster des Ottweiler Empfangsgebäudes auf den Sockel heruntergezogene Rahmen, die die Arkaden im Mittelrisalitt optisch verlängern und so an eine lange Arkadenreihe erinnern. Das zweite Empfangsgebäude von St. Ingbert besaß neben seinen beiden Haupteingängen einen Nebeneingang zum Treppenhaus und ein Fenster, die den Eingängen angeglichen waren. Beide besaßen bis auf den Sockel heruntergezogene Rahmen und waren verbreitert, während die anderen Fenster schmaler waren und Fensterbänke besaßen. So entstand der Eindruck einer Reihe von Eingängen, der offensichtlich bewußt erzeugt worden war. Dies stellt meines Erachtens die Weiterentwicklung der Arkaden dar. Ebenso bemerkenswert ist auch die Gestaltung des Eingangsbereiches am Gersheimer Empfangsgebäude: hier wird der Rundbogen des Eingangs durch zwei seitliche Blendbogen weitergeführt, so dass wieder der Eindruck einer Arkadenstellung entsteht. Am Völklinger Empfangsgebäude wurden die drei rechteckigen Eingänge durch direkt darüber ansetzende Segmentbogenfenster fortgesetzt. Wieder fühlt man sich dadurch an Arkaden erinnert. In Dillingen schließen sich auf beiden Seiten des Eingangs sehr hohe Segmentbogenfenster an. Dieses Motiv entwickelte sich ebenfalls aus den ehemals offenen Arkaden. Vielleicht ist sogar das Doppelportal des Beckinger Empfangsgebäudes von dem Motiv der Arkaden inspiriert worden - an anderen Empfangsgebäuden genügte nämlich auch eine einzelne Eingangstür, so dass man in Beckingen nicht unbedingt vom reinen Nützlichkeitsprinzip ausgehen kann. Kennzeichnend für den Rundbogenstil ist natürlich vor allem der Rundbogen, der bei fast allen Gebäuden vorkommt. Hierbei ist die Kombination von Rundbogen im Erdgeschoss und Rechteckfenstern im Obergeschoss besonders häufig. Dies ist auf die untergeordnete Bedeutung des Obergeschosses für die Fahrgäste zurückzuführen, die man am Außenbau kenntlich machen wollte. Dementsprechend kommt nur bei den beiden nicht öffentlichen Grubenbahnhöfen die umgekehrte Anordnung vor, wodurch eine Art Beletage entsteht. Der Segmentbogen kommt im saarländischen Rundbogenstil nur in Bexbach vor, setzt sich aber in den darauffolgenden Stilen zusammen mit der Rechtecköffnung immer stärker durch. Besonders gerne wird er offenbar im Backsteinbau angewendet. In Gersheim und Breitfurt taucht eine Sonderform des Segmentbogens auf, dessen Enden waagerecht auslaufen und so einen flachen Karniesbogen bilden. Dieser wurde wohl von Wohnhäusern des 18. Jahrhundert übernommen. Weiterhin auffallend ist die sparsame Verwendung von Gliederungselementen, die fast bei allen Empfangsgebäuden anzutreffen ist. Nun ist gerade der Rundbogenstil auf Grund seiner theoretischen Grundlagen relativ schlicht. Bei kleinen Bahnhofsgebäuden fördern aber die Notwendigkeit, preiswert zu bauen und die mangelnde repräsentative Bedeutung die schmucklose Gestaltung zusätzlich. Bemerkenswert ist dabei die Vorliebe für horizontale Gliederungen. Besonders das Sohlbankgesims wurde fast immer verwendet, sogar bei den schlichtesten Gebäuden. Oft ist es stärker betont als das Gurtgesims oder ersetzt dieses sogar. Vertikale Elemente wie Pilaster und Lisenen kommen dagegen so gut wie nie vor. Eine Ausnahme bildet das ungewöhnliche repräsentative zweite Empfangsgebäude in St. Ingbert, das rustizierte Lisenen besitzt.