Luisenthal

Zwischen Saarbrücken und Völklingen liegt der Bahnhof Luisenthal, dessen heutiges Empfangsgebäude 1898 errichtet wurde. Der Außenbau wurde bis heute nicht verändert. Die Grundrisse, die 1967 erstellt wurden, zeigen einen Rechteckbau mit Mittelrisalit und quadratischem Eckrisalit im Osten. Der Aufriss ist weniger leicht zu lesen, da die Gebäudeteile unterschiedlich hoch sind und eigene Dächer besitzen.  Im Erdgeschoss nimmt die Schalterhalle die gesamte Fläche des Mittelrisalits ein. Von hier aus gelangt man entweder direkt auf den Hausbahnsteig oder aber über eine rechts gelegene, dreiläufige Treppenanlage (mit Richtungswechsel) in die Durchgangshalle unter der Schalterhalle, die zu den übrigen Bahnsteigen führt.  In diesen Tunnel im Kellergeschoss gelangt man auch direkt von außen. Dem Risalit ist eine breitere, dreiläufige Treppenanlage vorgeschaltet, wobei der mittlere, breitere Lauf in den Tunnel führt und die seitlichen, schmaleren Läufe auf ein verbindendes Podest, über das man in die Schalterhalle gelangt. Rechts davon lagen die Warteräume, die später die Gaststätte aufnahmen,  links die Dienst- und Betriebsräume und die Treppe zu den Obergeschossen.

Das Äußere präsentiert sich als unverputzter, hellroter Ziegelbau mit steilen, schiefergedeckten Walm- und Satteldächern. Die verschiedenen Gebäudeteile sind ein- oder zweigeschossig mit unterschiedlich hohen Dächern.  Im westlichen Teil befinden sich vier Achsen, wobei die äußerste Achse der Straßenfassade Zwillingsfenster enthält. Die Fenster sind rechteckig mit Sprossen und segmentbogigen Überfangbogen. Die Rahmen aus hellem Haustein bilden seitlich Ohren. Die größeren Fenster des höheren Erdgeschosses sind aufwendiger gestaltet, mit innen abgeschrägten bzw. abgestuften Rahmen und zwei weiteren "Ohren" in der oberen Hälfte der Rahmen. Beide Geschosse besitzen Sohlbankgesimse. Sockel und Dachgesims bilden die unteren und oberen Begrenzungen. Mit kleinen Veränderungen folgen die übrigen Bauteile dieser Gestaltung.  Am östlichen Eckrisaliten besitzen die Fenster als Oberlichter segmentbogige Zwillingsfenster mit profilierten Rahmen und segmentbogige Überfangbogen. Ein Gesims trennt die beiden Teile voneinander. An der Straßenfassade sind diese Oberlichter entfernt bzw. zugemauert worden.  Der Mittelrisalit besitzt auf jeder Seite einen Treppengiebel mit Dreiecksabschluss und ein Rundfenster. Der Giebel liegt auf zwei seitlichen, kapitellartigen Elementen auf, denen aber Pilaster- oder Säulenschäfte fehlen. Darunter sitzt ein treppenförmiges Drilllingsfenster. Über der Freitreppe befindet sich ein Schutzdach.

Die Größe des Empfangsgebäudes des Bahnhofs Luisenthal mag heute ungewöhnlich erscheinen. Dies lässt sich jedoch mit der früheren Bedeutung des Ortes für die Montanindustrie erklären, denn hier befand sich eine der größten Kohlegruben an der Saar. Dies führte zu einem schnellen Bevölkerungswachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so dass ein angemessen großes Bahnhofsgebäude erforderlich wurde. Der Stil des Gebäudes knüpft an die nordische Backsteingotik und die "deutsche" Renaissance an. An die Gotik erinnern das Material und das Fehlen klassischer oder klassizistischer Formen.  Herausragend ist jedoch vor allem der schlichte Treppengiebel, der Hauptkennzeichen der Backsteingotik ist und besonders oft an Stadttoren, Rat- und Wohnhäusern vorkommt. Der Treppengiebel wurde sogar beibehalten als im 16. Jahrhundert die Formen der italienischen Renaissance im Norden aufgenommen wurden und sich daraus die "deutsche" Renaissance bildete.  Nun wurden allerdings oft Voluten angefügt. Später ersetzte der Volutengiebel den Treppengiebel.  Für die Renaissance nordischer Prägung sind die Fensterformen und der bekrönende Dreiecksgiebel typisch. Der Dreiecksgiebel wurde ebenfalls aus Italien übernommen und tauchte im 16. Jahrhundert im Norden auf. Die Fenster stammen dagegen nicht aus dem Süden, sondern entwickelten sich vermutlich aus älteren, nordischen Formen.  Während die repräsentativsten Neurenaissancegebäude in natürlichem Stein ausgeführt wurden, entstanden viele kleinere Bauwerke als Backsteinbauten mit Gliederungselementen aus Werkstein , wie in Luisenthal auch. Durch die Verwendung des Backsteins und die schlichteren Formen erinnern sie noch eher an die Bauten der "Backsteingotik". Im Bahnhofsbau blieben Backsteingotik und "deutsche" Renaissance verhältnismäßig selten, jedoch gibt es vor allem in Norddeutschland einige Beispiele. Mit Luisenthal vergleichbar ist das 1894 vollendete Empfangsgebäude in (Bad) Harzburg mit schlichtem Treppengiebel mit seitlichen Voluten und Giebelbekrönung. Das zweite Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs Essen von 1897 wurde ebenfalls in Neurenaissanceformen errichtet mit aufwendigen Volutengiebeln, an denen Kielbogen und Fialenbekrönungen auftauchen. Auch an den Empfangsgebäuden von Oldenburg von 1877-79 und Altona von 1898 taucht der Treppengiebel auf; beide sind aber ganz in gotischen Formen erbaut und besitzen keine Anklänge an die Renaissance. Entscheidend für das Saarland wurde die rheinländische Entwicklung, die unter dem Einfluss der Haseschüler Ewerbeck und Henrici stand. Diese propagierten die "deutsche" Neurenauissance und setzten sich gerade für den Backstein als Baumaterial ein. Sicher gelangte über diesen Weg die Backsteinarchitektur auch ins Saarland.  In diesem Zusammenhang besonders interessant ist ein Wettbewerbsentwurf von Franz Klemens Ewerbeck im Stil der "deutschen" Neurenaissance für den Aachener Bahnhof der Aachen-Jülicher Eisenbahn, der um 1875 entstanden ist, aber nie realisiert wurde.  Auch hier handelt es sich um mehrere Gebäudeteile, die in ihrer Zuordnung denjenigen in Luisenthal genau entsprechen: an den hohen Mittelbau schließen sich links ein zweigeschossiger Baublock und rechts ein eingeschossiger Verbindungstrakt an, der in einer Art Pavillon endet. Die Dächer sind ebenfalls steil und unterschiedlich hoch. Neben neugotischen Fialen und Giebelaufsätzen im Stil der Neurenaissance besitzt das Gebäude Fensterformen, die denjenigen in Luisenthal verblüffend ähneln: "zweistöckige" Zwillingsfenster mit rechteckigen und segmentbogigen Abschlüssen und Überfangbogen bzw. Rechteckfenster mit jeweils zwei Oberlichtern. Wie in Luisenthal besitzen die Rahmen Ohren. Die gesamte Fassade wird von  bandartigen Gesimsen zerschnitten, die auch in Luisenthal rudimentär vorhanden sind

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